Posidonia: Die unterschätzten Meereswiesen

Posidonia: Die unterschätzten Meereswiesen

Bei keiner auf Mallorca heimischen Pflanze ist die Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und ökologischem Nutzen so groß, wie bei der Posidonia (auf Deutsch: Neptungras). Die übliche Reaktion derjenigen, die mit der vielerorts am Meeresboden wachsenden Pflanze mit den glitschigen Blättern in Berührung kommen, geht in etwa so: „Iiih, was für eine eklige Alge.“

Keine Alge: Bei Neptungras handelt es sich um eine hochentwickelte Unterwasserpflanze.
Keine Alge: Bei Neptungras handelt es sich um eine hochentwickelte Unterwasserpflanze.

Auch die Berge abgestorbenen Posidonia-Laubs, die sich vor allem in den Wintermonaten an der Küste bilden, sorgen immer wieder für Ärger: Denn die riechen schon mal streng und begraben stellenweise den gesamten Sandstrand unter sich. Im krassen Gegensatz zum Negativimage des Neptungrases steht sein Nutzen für Mallorcas Umwelt. „Die Posidonia hat entscheidende Bedeutung für das ,Ökosystem Meer‘“, sagt Salud Deudero, Forscherin am Meeresforschungszentrum in Palma. Das Problem sei die Unkenntnis vieler Leute. „Die Posidonia abzulehnen ist etwa so, wie in den Wald zu gehen und zu sagen: Die Bäume stören.“

Tatsächlich ist das Neptungras am Grund des Meeres rings um die Balearen seit Jahrtausenden heimisch. Es handelt sich bei der Posidonia keineswegs um eine Alge, sondern um eine hochentwickelte Wasserpflanze, die Wurzeln schlägt, blüht und Samen bildet. Ebenso unbestritten ist ihr Nutzen für das Ökosystem im Meer. Das Neptungras wirkt wie ein natürlicher Unterwasserfilter, es hält organische Materie auf und trägt so entscheidend dazu bei, dass das Wasser rund um Mallorcas Küste meist kristallklar ist. Außerdem binden die Posidonia-Vorkommen große Mengen Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff, was ebenfalls zum ökologischen Gleichgewicht beiträgt, wie Deudero sagt. Aber das ist noch nicht alles: Neptungraswiesen dienen auch als Lebensraum für rund 400 Spezies, junge Fische, Schalentiere, Schnecken und Würmer.

„Bestände sind in großer Gefahr“

Die Posidonia ist eine von fünf Seegrasarten im Mittelmeer und wächst in Küstennähe in bis zu 50 Meter Tiefe. Umweltschützer weisen seit Jahren darauf hin, dass die Neptungrasbestände rund um die Balearen in großer Gefahr sind. Deshalb hat die Zentralregierung in Madrid die Posidonia im Jahr 2011 auf die Liste der gefährdeten Arten gesetzt. Salud Deudero will sich nicht festlegen, wie groß die Gefahr tatsächlich ist. Denn es gebe keine zuverlässigen Studien über den tatsächlichen Zustand der Posidonia-Vorkommen auf den Balearen. Für solche Untersuchungen fehlt derzeit das Geld. Tatsache sei aber, dass es etwa in der Bucht von Palma in den 50er Jahren noch dichte Neptungraswiesen gab. Heute ist von ihnen nichts mehr übrig. „Es gibt Stellen, an denen die Vorkommen in sehr schlechtem Zustand sind“, sagt Deudero. „Es gibt aber auch Stellen, an denen die Situation viel besser ist.“ So etwa rund um Cabrera oder an Mallorcas Tramuntanaküste.

Risikofaktoren gibt es gleich mehrere: Immer wieder halten sich Fischer nicht an das Verbot, Schleppnetze in weniger als 50 Meter Meerestiefe auszuwerfen und beschädigen so die Posidoniawiesen am Meeresgrund. Ebenfalls problematisch ist schlecht gereinigtes Wasser aus den Kläranlagen, das ins Meer geleitet wird. Auch die Entsalzungsanlagen der Insel werden mehr und mehr zum Problem, da das bei der Trinkwasserherstellung anfallende Salz wieder ins Meer geleitet wird und dort punktuell zu einem massiven Anstieg des Salzgehaltes führt – mit drastischen Folgen für das ökologische Gleichgewicht.

Das wohl größte Problem aber sind die rund 65.000 auf den Balearen zugelassenen Boote und Yachten, die vor allem in den Sommermonaten im seichten Küstengewässer vor Anker gehen und dabei die Posidoniawiesen auf dem Meeresgrund zum Teil schwer beschädigen. Man solle seinen Anker ausschließlich an sandigen Stellen auswerfen, appelliert Deudero. An mehreren Stellen rund um Mallorca mit besonders gefährdeten Posidonia-Vorkommen ist es seit einiger Zeit nur noch erlaubt, an eigens zu diesem Zweck installierten Bojen festzumachen.

Auch die Badegäste an den Stränden sollten etwas Verständnis aufbringen, findet Deudero. Die abgestorbenen Posidonia-Blätter müssten unbedingt dort liegen bleiben, wo sie die Strömung an Land treibt. Denn die Laubhaufen bilden einen natürlichen Schutz der Strände und verhindern so, dass Wind und Wellen immer mehr Sand abtragen. „Die Posidonia- Reste an den Stränden sind maximal ein ästhetisches Problem“, sagt Deudero.

Erschienen im Mallorca Magazin.