Deutsche als Testurlauber

Deutsche als Testurlauber

Mit diesem Empfang hatten Andrea und Dietmar Bumbullis nicht gerechnet. Das gesamte Hotelpersonal steht Spalier und applaudiert, als sie die paar Stufen vom Bus zum Hotel hinaufsteigen. Die Koffer muss das Ehepaar aus Olfen im Münsterland zwar selbst tragen, aber immerhin. Dutzende Kamerateams, Reporter und Fotografen verfolgen die Ankunft der Reisenden. „Da fühlt man sich ja fast ein bisschen wie ein Filmstar“, finden die Urlauber, als sie wenig später bei einem kühlen Bier auf der Sonnenterrasse des Hotels Riu Concordia an der Playa de Palma sitzen.

Testlauf für den Saisonstart

Die Bumbullis gehören zu den ersten 165 Mallorca-Reisenden, die dank eines Pilotprojektes der Balearen-Regierung, des lokalen Hotelverbandes und des Reiseveranstalters TUI am Montagmorgen auf der Insel gelandet sind – obwohl in Spanien wegen der Corona-Pandemie eigentlich noch Alarmzustand herrscht und Reisende aus dem Ausland für zwei Wochen in Quarantäne müssen. Für diese deutschen Urlauber gilt das nicht. Es ist so etwas wie der Testlauf für den Start in die verspätete Tourismus-Saison auf Mallorca.

Endlich wieder auf Mallorca – Andrea und Dietmar Bumbullis aus dem Münsterland. Foto: jm

Dementsprechend streng sind die Hygieneregeln in den fünf Hotels, die an dem einwöchigen Pilotprojekt teilnehmen. Auf den Boden geklebte Pfeile zeigen an, wo es langgeht. Wer sich nicht daran hält, wird freundlich aber bestimmt zurechtgewiesen. Alle paar Meter stehen Spender mit Desinfektionsmittel für die Hände. Am Eingang zum Speisesaal wird penibel darauf geachtet, dass es auch jeder benutzt – und dass die Atemmaske richtig sitzt. Links und rechts von Andrea und Dietmar Bumbullis ist reichlich Platz, weil auf der Terrasse die Abstände zwischen den Tischen vergrößert wurden.

Urlaub mit Kontrollanruf, ein „echter Schnapper“

„Hygieneregeln haben wir in Deutschland auch, das macht keinen Unterschied“, finden sie. „Nur, dass hier dabei die Sonne scheint.“ Am Flughafen mussten sie sich vor einer Wärmebildkamera aufstellen, um nachzuweisen, dass sie keine erhöhte Temperatur hatten. Sie mussten ihre persönlichen Daten hinterlassen.

Und während des Urlaubs bekommen sie täglich einen Kontrollanruf von einem Mitarbeiter der balearischen Gesundheitsbehörde, der wissen will, ob es ihnen denn auch gut geht. Bei Anzeichen einer Corona-Infektion wird der Betroffene getestet und bei positivem Ergebnis isoliert.

Das alles hat das Ehepaar Bumbullis nicht abgeschreckt. Die Reise haben die beiden kurzfristig gebucht, weil sie ohnehin Urlaub hatten. Als dann das Angebot auftauchte, schlugen sie zu. Auch, weil es besonders günstig war. „Ein echter Schnapper“, sagt Dietmar Bumbullis. „Eine Woche Urlaub irgendwo in Deutschland wäre sicher teurer geworden.“

Finanziell lohnt sich die Aktion für die mallorquinischen Hoteliers tatsächlich nicht. Joan Company räumt das freimütig ein. „Ökonomisch wird die Testphase ein Desaster“, sagt der Direktor des Hotels Alcúdia Garden im Norden der Insel. „Wir werden Geld verlieren.“ Das ganze Hotel wegen 40 Gästen aufzumachen, lohne sich nicht. Außerdem muss er wegen der strengen Hygieneregeln auch noch das Personal kräftig aufstocken. „Uns geht es darum, endlich wieder loszulegen. Damit die Welt sieht, dass man hier auf Mallorca sicher Urlaub machen kann.“

Joan Company, Direktor des Alcúdia Garden. Foto: jm

Pilotprojekt als Marketingsaktion

Das Pilot-Projekt ist vor allem eine Marketing-Aktion. Daraus machen die Beteiligten keinen Hehl. „Wir positionieren uns auf diese Weise international als sichere Destination“, sagt etwa Ministerpräsidentin Francina Armengol. Und Palmas Bürgermeister José Hila fügt hinzu: „Wir wollen Deutschland zeigen, dass wir bereit sind.“ Dutzende Medienvertreter verfolgen den Pressetermin am Montagmittag, an dem auch der balearische Tourismusminister, die Inselratspräsidentin und TUI-Vorstand Sebastian Ebel teilnehmen. Alle loben sich gegenseitig für die gelungene Kooperation und geben sich optimistisch.

Ein paar Straßen weiter sieht man die Lage allerdings nicht ganz so rosig. „Die Playa de Palma ist überhaupt nicht vorbereitet auf den Saisonbeginn“, sagt Tomeu Mestres, der als einer der ersten Wirte der Gegend sein Tapas-Restaurant nach wochenlanger Zwangspause vor ein paar Tagen wieder geöffnet hat – in der Hoffnung auf die deutschen Urlauber.

Am 21. Juni endet der Alarmzustand in Spanien, dann öffnet das Land seine Grenzen ganz regulär wieder für den internationalen Tourismus, wenngleich die meisten der Hygieneregeln auch weiterhin Gültigkeit haben werden. An der Playa de Palma aber wuchert noch das Unkraut aus den Ritzen im Asphalt, wie Mestres bemängelt. „Die Stadtverwaltung hat noch nicht einmal die Palmen beschneiden lassen.“ Die Lokale, in denen schon Generationen deutscher Urlauber gefeiert haben, liegen gleich nebenan. Sie sind noch verrammelt. Die Gegend wirkt wie im tiefsten Winter, wenn hier überhaupt nichts los ist.

Noch ist viel Platz an der Playa de Palma

Den Bumbullis macht das nichts aus – im Gegenteil. Sie sind nicht zum Partymachen hier. „Wir hätten unter normalen Umständen nie einen Urlaub am Ballermann gebucht“, sagen sie. Sonst zieht es sie eher in ruhigere Ecken der Insel. „Wir waren neugierig, Mallorca mal ohne Touristen kennenzulernen.“ Wie das aussieht, kann man gut am Strand sehen, der gleich um die Ecke liegt. Hier, wo sich zu dieser Jahreszeit normalerweise tausende Urlauber drängen, herrscht völlige Leere. Die paar Badegäste, die sich auf dem kilometerlangen Sandstrand verteilen, kommen sich garantiert nicht zu nah – ganz ohne Abstandsregeln.

Erschienen bei Deutsche Welle Online.