Warten auf die nächste Katastrophe

Warten auf die nächste Katastrophe

Wer in diesen Tagen über die Landstraße von Andratx nach Estellencs fährt, kommt nur schwerlich auf die Idee, dass hier vor gerade einmal sieben Jahren das schlimmste Feuer in der Geschichte der Insel hunderte Hektar Wald zerstörte. Wer genau hinsieht, der kann zwar in der Ferne die vielen, wie Mikado-Stäbchen übereinander gestürzten Baumstämme an den Berghängen erkennen, vielleicht wird er sich auch über die enormen Fangzäune wundern, die immer wieder links und rechts der Fahrbahn gespannt sind, oder er wird sich vielleicht fragen, weshalb hier und dort fünf, sechs großgewachsene Bäume aus der ansonsten kahlen Landschaft ragen.

Verkohlte Landschaft in La Trapa kurz nach dem Feuer. Foto: jm

Man kann sich aber auch einfach an den vielen jungen, saftiggrünen Kiefern erfreuen, die zu Abertausenden ringsherum aus dem Boden schießen. Viele von ihnen sind längst mannshoch, der Boden ist bedeckt mit Gräsern und Büschen. Wer die selbe Fahrt im Sommer 2013 unternahm, kurz nachdem der Waldbrand hier gewütet hatte, dem offenbarte sich ein Anblick wie im Katastrophenfilm. Weit und breit verkohlte Landschaft, eine dicke Ascheschicht bedeckte den Waldboden, in der Luft hing auch nach Wochen noch ein penetranter Geruch nach Qualm und Ruß. Tausende schwarze Kiefern ragten tot in den Himmel. Kein Laut war zu hören, kein Vogelgezwitscher, keine zirpenden Grillen. Gruselig.

„Mallorcas Wald ist ein Pulverfass“

Sieben Jahre später hat sich die Natur sichtlich erholt. Grundsätzlich geändert aber hat sich nichts, finden manche. „Mallorcas Wald ist ein Pulverfass. Ein Feuer wie damals kann sich jederzeit wiederholen“, sagt Joan Juan. Der Forstwirt arbeitete im Jahr 2013 auf dem Landgut La Trapa, das dem Umweltschutzverband GOB gehört und damals von den Flammen heimgesucht wurde. Er sah mit an, wie die Arbeit vieler Jahre in Rauch aufging. Das Hauptproblem ist laut Juan die mangelnde forstwirtschaftliche Pflege des Waldes.

Es gab Zeiten, da sicherte dieser das Überleben zahlloser mallorquinischer Familien. Es gab Köhler, die aus Steineichen Kohle herstellten, Kalkmacher benötigten für ihr Handwerk Unmengen an Brennholz, ebenso wie jede Hausfrau zum Kochen und Heizen. Heute kann man mit dem Wald kein Geld mehr verdienen. Gekocht wird mit Butangas oder Strom aus dem mit Erdgas betriebenen E-Werk, die letzten Köhler und Kalkmacher sind längst gestorben. Die Folge: Weil niemand mehr Bäume fällt, ist ein immer größerer Teil der Insel bewaldet.

180 Bäume pro Einwohner

Als der Erzherzog Ludwig Salvator gegen Ende des 19. Jahrhunderts sein enzyklopädisches Werk „Die Balearen in Wort und Bild“ verfasste, da hatte er auch Zahlen über den mallorquinischen Wald gesammelt. Demnach gab es damals etwas mehr als zwei Millionen Kiefern und eine knappe Million Steineichen auf der Insel. Der Wald bedeckte etwa 23 Prozent der Gesamtfläche Mallorcas. Heute gibt es Angaben des balearischen Umweltministeriums zufolge in den Waldgebieten der Inseln etwa 200 Millionen Bäume – ungefähr 180 pro Einwohner. 41 Prozent der Fläche Mallorcas sind von Wald bedeckt.

Am Coll de Sa Gramola ist von dem Waldbrand nichts mehr zu sehen. Foto: jm

Auf den Nachbarinseln liegt der Anteil sogar noch höher und macht jeweils mehr als die Hälfte der Gesamtfläche aus. Auf mehr als 80 Prozent der Fläche aller Balearen-Inseln kann potenziell Wald wachsen, heißt es. Tendenziell dehnt sich dieser also mit der Zeit immer mehr aus, wenn keine geeignete Forstwirtschaft betrieben wird. Noch nicht einmal vier Prozent der jährlich nachwachsenden Holzmenge werden aus den Wäldern geholt – und der Großteil davon nach Feuern oder Stürmen, um tote Bäume zu entfernen.

Joan Santana von der balearischen Forstbehörde betont dennoch, dass sich seit 2013 einiges getan hat. „Andratx hat vieles verändert“, sagt er. So funktioniere die Koordination der beteiligten Behörden heute viel besser, vor allem mit den einzelnen Rathäusern laufe die Zusammenarbeit nun reibungslos. Außerdem wurden in den vergangenen Jahren ein neuer Forstplan und ein neuer Waldbrand-Präventionsplan verabschiedet. Vor allem letzterer habe dazu geführt, dass die besonders feuergefährdeten Stellen identifiziert und die Infrastruktur zur Brandbekämpfung verbessert worden seien. Ein Problem, mit dem sich die Löschkräfte 2013 nämlich konfrontiert sahen, war das Fehlen von Zufahrtswegen in die betroffenen Waldgebiete.

Grundbesitzer in der Pflicht

„Die Planung ist viel besser geworden in den vergangenen Jahren“, sagt Santana. Das Hauptproblem aber, die Verwahrlosung des Waldes auf Mallorca, lässt sich auf diese Weise nicht lösen. Santana gibt zu bedenken, dass sich 93 Prozent des Waldes in Privatbesitz befinden. Die Mitarbeiter der Forstabteilung könnten pro Jahr lediglich auf etwa 60 bis 70 Hektar Waldfläche Präventionsmaßnahmen durchführen. Die gesamte Waldfläche betrage wohlgemerkt mehr als 200.000 Hektar. Also appeliert Santana an die Grundbesitzer. Diese hätten die Verantwortung dafür, zumindest das Gelände rund um ihre Wohnhäuser sauber zu halten und so Bränden vorzubeugen. „Die einzige wirkliche Lösung für Mallorcas Wald aber ist, dass seine Bewirtschaftung wieder rentabel ist“, sagt Santana.

Daran versucht sich seit 2011 Mateu Valls. Er ist Vorsitzender des balearischen Biomasse-Verbandes und betreibt in Felanitx eine Fabrik, in der aus Bäumen und Holzresten Pellets hergestellt werden. 1000 Tonnen produziert er pro Jahr, zu seinen Kunden gehören vor allem Privatunternehmen, in erster Linie Hotels, die über eine Biomasseanlage verfügen. Auch einige Privatleute nutzen Biomasse bereits zum Heizen oder Kühlen. Valls ist überzeugt, dass sein Geschäftsmodell eine Lösung für den mallorquinischen Wald sein könnte. Deshalb hat er einst seinen sicheren Beamtenjob aufgegeben, um sich der Pellet-Produktion zu widmen. „Unser Problem ist, dass viele Menschen denken, dass es eine Sünde sei, einen Baum zu fällen“, sagt er. Selbst in Öko-Kreisen gilt die Nutzung von Biomasse als wenig umweltfreundlich.

Tatsächlich wird beim Verbrennen von Holz CO2 frei – ein Nachteil gegenüber erneuerbaren Energien wie Sonnen- oder Windkraft. „Emissionen werden aber auch frei, wenn der Wald brennt oder der Landwirt seine Grünabfälle verfeuert“, sagt Valls. Auch das balearische Umweltministerium unterstüzt die Biomasse-Nutzung auf Mallorca nur äußerst zaghaft. So kommt die Branche in dem Klimawandelgesetz, das das Balearenparlament auf Betreiben der regierenden Öko- und Linksparteien im vergangenen Jahr verabschiedete, nur ganz beiläufig vor. Und so kommt es eben, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis auf Mallorca der nächste Waldbrand wütet.

Erschienen im Mallorca Magazin.