Als vom Himmel Bomben regneten

Als vom Himmel Bomben regneten

Wer aufmerksam an Mallorcas Küste unterwegs ist und nicht nur einen Blick für Strand und Meer hat, der kann bis heute vielerorts Überbleibsel aus einer Zeit entdecken, in der die Insel noch nicht Sehnsuchtsort zigtausender Urlauber war, sondern Kriegsschauplatz. Festungsanlagen, Bunker und Geschützstellungen – beziehungsweise das, was noch von ihnen übrig ist – zeugen davon, dass Mallorca einst ein militärstrategisch bedeutender Ort war, den es mit allen Mitteln zu verteidigen galt.

Einen „formidablen Flugzeugträger“ nennt beispielsweise Santiago Alberti die Insel in seinem Buch über die Bombardierungen Barcelonas während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939). Leicht war die katalanische Hauptstadt von Mallorca aus zu erreichen, zudem vom Meer aus – und dadurch weitgehend unbemerkt. Barcelona war das wirtschaftliche Zentrum des republikanischen Spanien und ab 1937 auch Sitz der Regierung. Als Katalonien Anfang 1939 fiel und die franquistischen Truppen am 26. Januar dann auch Barcelona einnehmen konnten, war der Krieg entschieden. Bedeutenden Anteil daran hatten auch die deutsche und italienische Luftwaffe, die Mallorca fast über die gesamten Bürgerkriegsjahre hinweg als Standort nutzten.

Zuerst regnete es Flugblätter

Bevor es jedoch dazu kam, wurde die Insel selbst zum Ziel von Luftangriffen. Und zwar schon wenige Tage nachdem klar war, dass die auf Mallorca stationierten Streitkräfte den Putsch gegen die Republik unterstützten. Zunächst fielen aber keine Bomben auf die Insel, sondern Propagandamaterial: Flugblätter, auf denen einerseits die Soldaten aufgefordert wurden, ihre Vorgesetzten umzubringen und andererseits die Zivilbevölkerung Palmas gewarnt wurde, die Stadt kampflos zu übergeben. Andernfalls werde es Bombenagriffe geben. So berichtet es der Historiker Josep Massot in seinem Buch über die Bombardierungen Mallorcas während des Spanischen Bürgerkrieges.

Um genau 14.45 Uhr begann am 1. März 1938 die Bombardierung Palmas. Foto: Archiv der Fundació Aeronàutica Mallorquina

Tatsächlich wurde die Insel dann, ebenso wie Ibiza, wo die Putschisten auch rasch die Oberhand gewonnen hatten, während des Krieges immer wieder Ziel von Luftangriffen republikanischer Flugzeuge, vor allem in den Jahren 1936 und 1937. Massots Buch zufolge kamen bei etwa 40 Bombardierungen mehr als 100 Menschen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt. Bereits nach den ersten Angriffen begannen Zivil- und Militärverwaltung der Insel, Vorkehrungen zu treffen. An erster Stelle stand dabei zunächst ein Beobachtungs- und Alarmsystem, wie der mallorquinische Forscher Bartomeu Fiol in seinem Buch über Palmas Luftschutzbunker schreibt.

Hunderte Luftschutzkeller in Palma

Doppelt genutzt wurde in diesem Sinne etwa der Turm der Kathedrale, der nicht nur als Aussichtsstation diente: Die läutenden Glocken warnten die Bevölkerung zudem vor einem bevorstehenden Angriff. „Deshalb durften nirgends mehr die Kirchenglocken wie sonst geläutet werden, um die Uhrzeit anzuzeigen“, sagt Fiol. Auch die Rathausuhr und die Sirene des Bahnhofs am Stadtrand dienten dazu, Alarm zu schlagen. Im Laufe der Zeit jedoch entstanden an strategischen Orten der Insel, insbesondere an der Westküste, weitere Beobachtungsstationen und auch Luftabwehranlagen. Dazu kam der Bau von mehreren hundert Luftschutzkellern im gesamten Stadtgebiet Palmas, in die sich die Bewohner flüchten konnten.

„Die menschlichen Verluste und die materielle Zerstörung durch die Bombenangriffe auf Mallorca waren bei weitem nicht so bedeutend wie anderswo“, resümiert der Historiker Josep Massot. Und tatsächlich: Während dieses Kapitel des Spanischen Bürgerkrieges auf der Insel weitgehend in Vergessenheit geraten ist, haben sich die Bombardierungen – wohlgemerkt überwiegend durch deutsche und italienische Flugzeuge, die auf Mallorca gestartet waren – in Barcelona tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.

2700 Tote in Barcelona

An der Fassade der Kirche Sant Felip Neri in Barcelona sind bis heute Schäden eines Bombenangriffs zu sehen. Foto: jm

Etwa 200 Luftangriffe gab es während des Krieges auf die katalanische Hauptstadt, bei denen etwa eine Million Kilogramm Bomben abgeworfen wurden. Vermutlich kamen dabei mehr als 2700 Menschen ums Leben. Die Zahl der Schwerverletzten dürfte bei mehr als 7000 liegen. „Barcelona war die erste Stadt, die systematisch aus der Luft angegriffen wurde“, schreibt der Historiker Francesc Hernández. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass nicht nur militärische und zivile Infrastruktur wie Munitionsfabriken oder Bahnstrecken, sondern auch ganz bewusst die Zivilbevölkerung Ziel der Angriffe war.

Im Vergleich dazu kamen die meisten Inselbewohner noch glimpflich davon. Mit dem Spanischen Bürgerkrieg aber endete Mallorcas Geschichte als militärisch bedeutender Standort noch nicht. Viele der Verteidigunsganlagen, die an der Küste vor sich hin verfallen, stammen aus den Jahren des Zweiten Weltkrieges. Diktator Franco fürchtete eine Invasion der Alliierten und ließ daher die Militäranlagen der Insel massiv ausbauen. Und so kommt es, dass man auch heute noch auf Mallorca an manch paradiesischem Strand plötzlich vor einem verlassenen Bunker steht.

DIE wichtigsten DATEN

19. Juli 1936: Der Oberkommandant der Streitkräfte auf Mallorca erklärt den Kriegszustand und schlägt sich auf die Seite der Putschisten. Die Nachbarinsel Menorca dagegen bleibt bis 1939 unter republikanischer Kontrolle, ebenso wie Barcelona.
21. Juli 1936: Erster Luftangriff eines republikanischen Flugzeugs auf Stellungen in Pollença. Es folgen allein im Laufe des ersten Kriegsmonats fast tägliche Attacken, insbesondere auf die Inselhauptstadt, aber auch auf andere Städte und Gemeinden der Insel.
16. August 1936: Republikanische Truppen unter dem Kommando von Alberto Bayo gehen in Portocristo und Umgebung an Land, um die Insel unter ihre Kontrolle zu bekommen, werden aber mit Unterstützung der italienischen Luftwaffe zurückgeschlagen. In der Folge wird Mallorca zu einem der Stützpunkte der Aviazione Legionaria. Es kommt zu ersten Luftangriffen auf Menorca.
Oktober 1936: Um die spanischen Putschisten zu unterstützen, schafft die Wehrmacht unter zunächst strenger Geheimhaltung die Legion Condor. In den folgenden Wochen und Monaten werden 6500 deutsche Soldaten, Flugzeuge und sonstiges Kriegsmaterial nach Spanien verlegt.
Februar 1937: Die Aufklärungsstaffel-See 88 der Legion Condor wird mit zeitweilig bis zu 20 Wasserflugzeugen in Pollença stationiert.
Ab Februar 1937: Bis zum Kriegsende im Frühjahr 1939 fliegen deutsche und italienische Bomber von Mallorca aus immer wieder Angriffe auf Ziele an der spanischen Ostküste, vor allem Barcelona. Umgekehrt bombardieren auch immer wieder republikanische Flugzeuge Mallorca.
24. bis 31. Mai 1937: Innerhalb einer Woche kommt es zu den heftigsten Angriffen auf Palma und Ibiza während des gesamten Krieges. Mehr als 50 Personen kommen ums Leben.
16. bis 18. März 1938: Die italienische Luftwaffe fliegt von Mallorca aus zwölf Bombenangriffe auf Barcelona, bei denen vermutlich knapp 1000 Menschen ums Leben kommen. Wegen der Bombardierung ziviler Ziele kommt es zu internationalen Protesten.
Opferzahlen: Schätzungen zufolge kamen während des Spanischen Bürgerrkieges alleine in Barcelona bei den Luftangriffen etwa 2750 Menschen ums Leben. Auf Mallorca gab es vermutlich etwas mehr als 100 Todesopfer durch Bombardierungen.