Tourismus im Wandel

Tourismus im Wandel

Zum Feiern dürfte vielen Bewohnern Hongkongs überhaupt nicht zumute sein, wenn in diesen Tagen des 25. Jahrestages der Rückgabe der Stadt an China gedacht wird. Das liegt einerseits an den seit Jahren zunehmenden Bemühungen der chinesischen Staatsführung, ihren Einfluss in Hongkong auszubauen und die Demokratiebewegung zu unterdrücken. Zum anderen hat die Corona-Pandemie die Stadt schwer getroffen und eine der Säulen der Wirtschaft, den Tourismus, praktisch zum Erliegen gebracht.

Verheerende Folgen der Zero-Covid-Strategie

„Bis 2019 war Hongkong eine der meistbesuchten Städte der Welt“, sagt Wolfgang Ehmann, Delegierter bei der Deutschen Auslandshandelskammer in Hongkong. Durch die strengen Reisebeschränkungen, die zum Teil noch immer gelten, ist der Sektor dann jedoch völlig zusammengebrochen. Im gesamten Jahr 2021 habe die offizielle Zahl der Besucherankünfte bei gerade einmal 91.000 gelegen, so Ehmann. Zum Vergleich: 2019 waren es fast 56 Millionen. „Daran lässt sich erkennen, wie verheerend die Folgen der Zero-Covid-Strategie für den Tourismus in Hongkong waren und sind.“

Die vielen heruntergelassenen Rollläden in den Straßen sowie die geschlossenen Geschäfte und Restaurants in den Einkaufszentren belegen, wie schwer die Wirtschaft getroffen ist vom Ausbleiben der Reisenden. Offiziellen Angaben zufolge trägt der Tourismus etwa fünf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Stadt bei. Es gibt mehr als 300 Hotels und rund 260.000 Menschen sind direkt im Sektor beschäftigt.

76 Prozent der Touristen stammen aus Festlandchina

Dieser hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten stark verändert. Miterlebt hat diesen Wandel Jianli Chen, Inhaber des in Hamburg ansässigen Unternehmens China Hansa Travel, der seit vielen Jahren Reisen in seine Heimat organisiert und Urlaubergruppen begleitet. „Der Shopping-Tourismus hat in Hongkong heute große Bedeutung“, sagt er. „Chinesische Touristen vom Festland spielen mittlerweile eine viel größere Rolle als der internationale Tourismus.“ Das belegen auch die offiziellen Zahlen. Im Jahr 2017 etwa stammten 76 Prozent aller Besucher aus Festlandchina. Teure Uhren, schicke Taschen, Markenartikel aller Art – das ist es, was zu Wohlstand gekommene Festlandchinesen in Hongkong suchen, erklärt Chen.

Dass solche Shopping-Reisen – häufig nur Tagesausflüge – möglich sind, ist eine Folge der Rückgabe der Stadt an China. Seit dem Jahr 2003 erteilt der chinesische Staat Visa, die individuelle Reisen nach Hongkong ermöglichen. Seitdem haben davon fast 300 Millionen Chinesen Gebrauch gemacht. An Zeiten, in denen das noch nicht möglich war, erinnert sich Hans-Wilm Schütte, Sinologe und Autor mehrerer Reiseführer über China und Hongkong. „Touristen in Hongkong waren früher US-Amerikaner, Japaner, gelegentlich mal ein paar Europäer“, sagt er. „Dass heute so viele Festlandchinesen kommen, hat auch mit dem Anschluss an die Volksrepublik zu tun.“

Dieser wurde nach langjährigem Hin und Her offiziell am 1. Juli 1997 vollzogen. Hongkong war nach dem sogenannten Opiumkrieg 1841 an das Vereinigte Königreich gefallen und entwickelte sich in der Folge zum bedeutenden Militärstützpunkt und Handelsplatz. Nach dem Zweiten Weltkrieg, während dem japanische Streitkräfte die Stadt besetzten, begann der Aufschwung Hongkongs zur Wirtschaftsmetropole, auch dank chinesischer Unternehmer, die vor den roten Brigaden Maos geflohen waren.

Kritiker warnen vor Aushöhlung der Autonomie

In den 1970er-Jahren dann nahm der Druck Chinas auf Großbritannien zu, die Kronkolonie wieder abzutreten. Es kam schließlich zu der Einigung, dass Hongkong für 50 Jahre eine sogenannte Sonderverwaltungszone sein solle. Unter dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ wurden den Bürgern Hongkongs weitgehende Freiheiten und Rechte garantiert. Diese Autonomie Hongkongs aber werde nach und nach immer mehr ausgehöhlt, warnen Kritiker seit langem. Im Jahr 2020 etwa trat ein umstrittenes „Sicherheitsgesetz“ in Kraft, mit dem die chinesische Staatsführung auf Massenproteste für mehr Demokratie in der Stadt reagierte und das seitdem immer wieder als Grundlage für Verhaftungen von Regimekritikern dient.

Bereits im Jahr 2014 waren im Rahmen der sogenannten „Regenschirm-Proteste“ Zehntausende auf die Straßen gegangen, um mehr Demokratie zu fordern. Die Demonstrationen verliefen zwar überwiegend friedlich, dennoch wirken sie sich auf den internationalen Tourismus aus, ist Jianli Chen überzeugt. Viele Reiseveranstalter nähmen Hongkong schlicht aus dem Programm, wenn es dort wieder einmal Unruhen gibt. „Die sagen sich: In dem Fall können wir keine Reisen durchführen.“

Chinas Präsident Xi Jinping zeigt Präsenz

Und so war die Gruppe mit mehr als 50 Teilnehmern, die er vor einiger Zeit, noch vor der Corona-Pandemie, nach Hongkong begleitete, eine große Ausnahme. „Der Hongkong-Tourismus aus Europa ist viel weniger geworden“, sagt er. Noch in den 1990er-Jahren sei er im Schnitt dreimal jährlich als Reiseleiter in Hongkong unterwegs gewesen. Das habe daran gelegen, dass die Stadt für westliche Reisende lange Zeit das Eingangstor nach China war. „Die klassische Route für Chinarundreisen begann und endete in Hongkong“, sagt Chen. Mit der zunehmenden Öffnung Chinas habe sich das jedoch allmählich geändert.

Eine Erholung des Tourismus von der aktuellen Krise ist derweil noch immer nicht in Sicht. Weiterhin gelten für Hongkong-Reisende strenge Corona-Auflagen in Form von Impfnachweis, mehreren Tests und 14 Tagen Quarantäne im Hotel. Die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Rückgabe der Stadt allerdings dürften dennoch pompös ausfallen. Auch Chinas Präsident Xi Jinping wird dann Präsenz zeigen und an mehreren offiziellen Veranstaltungen teilnehmen.

Erschienen bei der Deutschen Welle.