Back to Ballermann

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Kaum irgendwo anders liegen Vergangenheit und Zukunft des Mallorca-Tourismus so nahe beieinander wie in der Straße Pare Bartomeu Salvà – bei deutschen Partyurlaubern auch als „Schinkenstraße“ bekannt. Während in den einschlägigen Lokalen schon am Vormittag die Schlagermusik aus den Boxen dröhnt und an Stehtischen lehnende Männer in Fußballtrikots bereits die ersten Bierhumpen geleert haben, geht es nur ein paar Schritte weiter gediegen zu. Auf mit weißem Stoff bezogenen Sesseln sitzt es sich hier weich. Statt Bratwurst mit Pommes gibt es hier feinste Küche.

Die Playa de Palma im Juni – noch findet man am Strand ein freies Plätzchen. Foto: jm

Den Wandel der Playa de Palma, einer der wichtigsten Touristenzonen der Insel, repräsentiert niemand besser als Juan Miguel Ferrer, der Vorsitzende der Vereinigung Palma Beach. Deren Ziel ist es, die als Ballermann berühmt-berüchtigte Partygegend in eine schicke Destination zu verwandeln. „Nachdem wir zuletzt einige Fortschritte gemacht haben, gab es jetzt wieder einen Rückschlag“, sagt er und zeigt über die Uferpromenade in Richtung Strand. Dort lungern Dutzende Gruppen junger Männer bei Dosenbier in der Sonne. Es riecht nach Erbrochenem, Urin und Sonnencreme. Die Mülltonnen quillen über. „In den vergangenen Wochen hat sich die Playa de Palma wieder in das verwandelt, was sie vor Corona war“, sagt Ferrer.

Alles beim Alten an der Playa de Palma

Im Sommer vergangenen Jahres nämlich deutete sich ein Wandel an, der selbst ihn überraschte: Nach der erzwungenen Corona-Pause und dank der strengen Auflagen der Gesundheitsbehörden, die in den Vergnügungslokalen galten, hatte eine neue, rücksichtsvollere Klientel die üblichen, überwiegend aus Deutschland stammenden Partyurlauber ersetzt. „Eigentlich hatten wir uns als Ziel dafür das Jahr 2026 gesteckt“, sagt Ferrer. „Corona hat aber wie ein Katalysator gewirkt und uns dieses neue Publikum bereits im vergangenen Sommer beschert.“ In diesem Jahr aber ist wieder alles beim Alten. „Die Anstrengungen waren vergebens. Die unzivilisierten Touristen sind zurück. Und schrecken alle anderen ab.“

Juan Miguel Ferrer will den Ballermann zur schicken Destination machen. Foto: jm

Mallorcas Politiker, Hoteliers und Gastronomen bemühen sich seit geraumer Zeit, dem Sauftourismus auf Mallorca den Garaus zu machen und den Imagewandel der Playa de Palma hin zur Qualitätsdestination voranzutreiben. Während die Stadt Palma diverse Verordnungen erlassen hat, um Saufgelage in der Öffentlichkeit zu unterbinden, hat die Balearen-Regierung die Gesetzeslage verschärft, um beispielsweise den freien Verkauf von Alkohol in den Supermärkten einzuschränken. Durchschlagenden Erfolg hatte das jedoch nicht, wie man in diesen Tagen beobachten kann. „Die Polizei müsste die Einhaltung der Vorschriften durch die Urlauber kontrollieren“, sagt Ferrer. „Und bei Verstößen die Geldstrafen sofort kassieren.“

Die Polizei sieht dem Treiben tatenlos zu

Das aber ist leichter gesagt als getan, denn die Geldbußen in Höhe von bis zu 750 Euro an Ort und Stelle einzutreiben gibt die Rechtslage nur in Ausnahmefällen her, wie ein Sprecher der Polizei erklärt – zumal kaum ein Urlauber eine solche Summe bei sich tragen dürfte. Und so beschränken sich die Polizisten an der Playa de Palma in diesen Tagen meist darauf, dem Treiben der feierwütigen Touristen aus der Ferne zuzusehen und nur bei den ärgsten Exzessen einzuschreiten. „Wir können uns der allgemeinen Jubelstimmung jedenfalls nicht anschließen“, sagt Ferrer.

Tatsächlich zeichnet sich auf Mallorca eine touristische Rekordsaison ab. Ob Hotelauslastung, Passagiere am Flughafen oder Buchungen – alle Zahlen liegen sogar über den Werten des letzten Sommers vor der Corona-Pandemie. „Nach zwei sehr komplizierten Jahren können wir jetzt die Früchte ernten und liegen ganz vorne bei der internationalen Nachfrage“, freut sich etwa Maria Frontera, Präsidentin des mallorquinischen Hoteliersverbandes. Auch Andreu Serra, Tourismusdezernent beim Inselrat, äußert sich zufrieden: „Der Saisonbeginn war sehr gut. Die Zahl der Touristen steigt, ebenso die Geldsumme, die sie auf der Insel lassen.“

Mallorca erwartet eine Rekordsaison. In Palmas Altstadt herrscht schon jetzt Gedränge. Foto: jm

Die Gesamtzahl der Gästebetten soll sinken

Die Menge allein aber soll auf Mallorca nicht mehr das einzige Kriterium sein. Man setzt nun verstärkt auf Qualitätstourismus und Nachhaltigkeit. So gibt es seit einiger Zeit ein Gesetz, das zum ersten Mal eine – wenn auch zaghafte – Verringerung der Gesamtzahl der Gästebetten in Urlaubsunterkünften vorsieht. „Wir sind fest überzeugt, dass die Wirtschaft trotz reduzierter Bettenzahl wachsen kann, indem wir größeren Mehrwert schaffen“, sagt Tourismusminister Iago Negueruela. So gibt es etwa seit Jahren Anreize, die Sternekategorie der Hotels anzuheben. Das zeigt Wirkung: Mittlerweile gibt es mehr als 400 Vier- und Fünfsterne-Hotels auf der Insel. Vor zehn Jahren waren es noch halb so viele.

Für mehr Nachhaltigkeit wiederum soll eine andere Entscheidung aus den vergangenen Wochen sorgen. Palma ist die erste spanische Stadt, die die Zahl der Kreuzfahrtschiffe begrenzt, die gleichzeitig ihren Hafen anlaufen dürfen. Auf eine entsprechende Regelung einigte sich die Balearen-Regierung mit dem Verband der Kreuzfahrtreedereien. Demnach machen künftig nur noch maximal drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen fest. Bislang waren es an vielen Tagen bis zu sechs. Dann strömten weit mehr als 10.000 Kreuzfahrtreisende gleichzeitig in die Altstadt, was zuletzt immer häufiger zu Anwohnerprotesten geführt hatte.

Nur noch maximal drei Kreuzfahrtschiffe dürfen gleichzeitig in Palmas Hafen festmachen. Foto: jm

Die Hoffnung ruht auf den US-Amerikanern

Eine andere Urlaubergruppe dagegen hofft man künftig verstärkt nach Mallorca locken zu können: US-Amerikaner. Deshalb sind die politischen Entscheidungsträger auch überaus froh, dass die Fluggesellschaft United Airlines nun eine Direktverbindung zwischen Palma und New York anbietet. Man erhofft sich vor allem kulturbeflissene und zahlungskräftige Kundschaft, die jedenfalls nicht kommt, um sich auf der Insel in aller Öffentlichkeit zu betrinken, wie es an der Playa de Palma nun also weiterhin der Fall ist. Damit es dort künftig zumindest etwas gesitteter zugeht, haben sich die unter der Marke Palma Beach zusammengeschlossenen Unternehmer etwas überlegt: In ihren Lokalen gilt neuerdings ein Dresscode. Mit nacktem Oberkörper kommt dort niemand mehr hinein, ebenso wenig im Fußballtrikot. „Vielleicht gelingt es uns so, die Leute ein wenig umzuerziehen“, sagt Ferrer.

Erschienen bei der Deutschen Welle.