Der Tourismus trotzt dem Klimawandel

Der Tourismus trotzt dem Klimawandel

Wer die Folgen des Klimawandels aus nächster Nähe betrachten will, der muss nur einen Ausflug zu Mallorcas Vorzeigestrand Es Trenc machen. Dort stehen seit vielen Jahren Bunker, die einst Diktator Franco errichten ließ. Ursprünglich wurden sie gut versteckt in die Dünenlandschaft gebaut. Heute stehen sie weithin sichtbar mitten auf dem Strand und belegen, wie der steigende Meeresspiegel die Gegend verändert. Um stellenweise bis zu 40 Meter ist der Traumstrand seit 1979 schmaler geworden, fanden Wissenschaftler heraus. Kein Einzelfall auf der Insel: Wenn sich die Erderwärmung wie prognostiziert fortsetzt, werden Dutzende Strände in den Fluten verschwinden.

Die Bunker am Es-Trenc-Strand wurden einst in den Dünen gebaut. Heute stehen sie schon fast am Wasser. Foto: J. Martiny

Rekordsommer trotz Strandschwund

„Wir sprechen hier von einem riesigen Landverlust im Mittelmeerraum“, sagt Thomas Dworak, Koordinator einer Studie des Umweltbundesamtes zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus. Eine besorgniserregende Aussicht auf einer Insel wie Mallorca, die zum Großteil vom Strand-und-Sonne-Tourismus lebt. Bislang aber schlägt sich der Strandschwund noch in keiner Urlauberstatistik nieder. Mallorca steuert auf einen Rekordsommer zu. Es werden 2022 wohl so viele Touristen die Insel besuchen wie nie zuvor.

„Es gibt noch wenig Evidenz, dass sich das Reiseverhalten der Menschen wegen des Klimawandels wirklich ändert“, sagt Dworak. Auch, wenn sich seit vielen Jahren die Warnungen vor den Folgen für die Urlaubsindustrie häufen, gebe es erst wenige Studien, die konkrete Auswirkungen nachweisen. „Viele Europäer sind Gewohnheitstiere“, sagt Dworak. „Wer seit 20 Jahren im Sommerurlaub nach Italien fährt, der macht das auch weiterhin.“ Ereignisse wie etwa das Gletscherunglück in den Dolomiten, bei dem Anfang Juli elf Menschen ums Leben kamen, schrecken höchstens kurzfristig ab, wie es scheint.

Bislang handelt es sich um punktuelle Ereignisse

Das sieht zumindest Dagmar Lund-Durlacher so, Professorin für nachhaltigen Tourismus an der Modul Universität in Wien. „Sollte es irgendwann an den immergleichen Orten ständig Überschwemmungen geben oder Lawinenabgänge, dann wird sich das auch auf den Tourismus dort auswirken.“ Bislang aber sei das noch nicht der Fall, da es sich um punktuelle Ereignisse handele. „Man weiß, dass die Gefahr da ist, aber man verbindet das noch mit keiner konkreten Region.“ Zu den Ausnahmen gehöre die Karibik, wie der schwere Tropensturm zeigte, der im September 2019 die Bahamas verwüstete und in dessen Folge auch der Tourismus in dem Inselstaat zusammenbrach.

Besonders stark dem Klimawandel ausgesetzt ist die Skitourismusbranche – steigende Temperaturen verringern die Schneesicherheit. „Hier ist am ehesten ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und Tourismus belegbar“, sagt Thomas Dworak. „Denn wenn es in einer Region mehrere Jahre hintereinander keinen Schnee gibt, dann sind die Skiurlauber weg.“ Das Problem ist gerade in den Alpen nur allzu gut bekannt. Bislang aber lässt es sich dank moderner Technik noch kaschieren. „Durch künstliche Beschneiung ist die Schneesicherheit in den meisten Fällen gegeben“, sagt Arnold Schuler, Landesrat für Tourismus in Südtirol. Deshalb lasse sich in der norditalienischen Provinz auch noch kein Trend weg vom Winter-, hin zum Sommer-Tourismus beobachten. Die Übernachtungszahlen verteilten sich beinahe genauso auf die Monate, wie schon im Jahr 1995. Das allerdings wird nicht immer so bleiben, räumt Schuler ein. Die künstliche Beschneiung habe Grenzen und sei nur bis zu einer bestimmten Temperatur möglich. Schon jetzt gebe es Gebiete, in denen wegen der schrumpfenden Gletscher das Skifahren nicht mehr ganzjährig möglich ist.

Große Probleme für traditionelle Tourismusregionen

Schneeschmelze, schwindende Strände, Wirbelstürme und Überschwemmungen sind dabei nur einige der Phänomene, die der Klimawandel mit sich bringt und die Auswirkungen auf den Tourismus haben werden. Auch Wassermangel und Extremhitze könnten Urlaubsregionen für Reisende unattraktiv machen, sagen Experten schon seit Jahren vorher. Bereits 2008 warnte die Welttourismusorganisation vor der Anfälligkeit der Branche für sich verändernde klimatische Bedingungen. Waldbrände, neue Infektionskrankheiten, der Verlust der Biodiversität, Quallenplagen wegen der steigenden Meerestemperatur – all dies könne traditionelle Tourismusregionen vor große Probleme stellen. Vor allem nördlicher gelegene Regionen dürften dagegen künftig vermehrt Touristen anziehen.

„Es mag schon Leute geben, die im Sommer wegen der Hitze nicht mehr ans Mittelmeer fahren“, sagt Dagmar Lund-Durlacher. „Eine Massenbewegung aber ist das noch nicht.“ Dennoch sollten sich die traditionellen Reiseziele nicht allzu viel Zeit lassen mit der Anpassung an die neuen Gegebenheiten. „Über kurz oder lang müssen sie das tun, sonst kommen irgendwann keine Touristen mehr.“ Welche Anpassungsstrategie die richtige ist, variiere dabei von Ort zu Ort, gibt Thomas Dworak zu bedenken. „Wenn in Afrika in einem Nationalpark wegen eines Waldbrandes das Ökosystem kippt, dann brauchen sie sich über Anpassung keine Gedanken mehr machen“, sagt er. Dasselbe gelte, wenn es etwa in Griechenland nicht gelinge, die Wasserversorgung sicherzustellen. Wenn auf Sylt mehrere Meter Küste verloren gehen, dann bedeute das für viele Menschen, die dort vom Tourismus leben, dass sie sich mittelfristig etwas anderes überlegen müssen. In Italien dagegen reiche es möglicherweise aus, sich stärker an Urlauber zu wenden, die im Frühling und Herbst reisen möchten.

Mallorca stellt der steigende Meeresspiegel derweil vor große Herausforderungen. Wie man dem Strandschwund begegnen kann, ist noch völlig offen. Dennoch hat er schon ganz konkrete Auswirkungen. Auf dem schmalen Streifen Sand von Es Trenc haben in diesem Sommer nur noch drei statt wie bisher sechs Strandbuden Platz. Und auch die Zahl der Sonnenschirme und -liegen, die dort aufgestellt werden dürfen, nimmt seit Jahren ab.

Erschienen bei der Deutschen Welle.