Die Klimabilanz des Tourismus ist negativ

Die Klimabilanz des Tourismus ist negativ

Wenn es Hochsaison wird auf Mallorca, dann lässt sich am Himmel über der Urlaubsinsel das immergleiche Phänomen beobachten: Bis zu zehn Flugzeuge sind dann zeitgleich am Horizont auszumachen, einige im Landeanflug, andere, die gerade abgehoben haben und nun in weitem Bogen über die Insel in Richtung Norden abdrehen. Genau 2014 Flugbewegungen waren an Palmas Flughafen am vergangenen Wochenende geplant – im Schnitt alle 90 Sekunden ein Start oder eine Landung. Es ist das für Mallorca in den Sommermonaten ganz normale Flugverkehrsaufkommen.

100 Billionen Tonnen CO2 in 20 Jahren

„Wenige Orte auf der Welt leisten einen solchen Beitrag zur Klimaerwärmung wie Mallorca“, kritisiert Jaume Adrover, Sprecher der mallorquinischen Umweltschutzgruppe Terraferida. „Und das nur durch eine einzige Aktivität: den Tourismus.“ In den vergangenen 20 Jahren habe der Inselflughafen 1,4 Millionen Flugbewegungen mit 194,5 Millionen Passagieren registriert – der Großteil davon: Urlauber aus Ländern wie Deutschland oder Großbritannien. Die Folgen des touristischen Modells der Insel für das Klima seien enorm, so Adrover. Allein 100 Billionen Tonnen CO2 seien im Laufe der vergangenen beiden Jahrzehnte durch den Flugverkehr auf Mallorca freigesetzt worden.

Die Insel ist dabei nur ein extremes Beispiel. Experten zufolge verursacht der Tourismus etwa acht Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. „Das klingt auf Anhieb vielleicht nach wenig“, sagt Wolfgang Strasdas, Forschungsleiter des Zentrums für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Eberswalde. Viele andere Branchen hätten aber auch keinen größeren Anteil. Dennoch müsse jede einzelne von ihnen einen Beitrag zur Einsparung leisten. „Der Tourismus ist eine wichtige Branche, wenn wir über die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen sprechen.“ In erster Linie geht es dabei um die Mobilität. Denn der Großteil der Emissionen entfällt auf die An- und Abreise. „Das gilt selbst im Inlandstourismus“, sagt Strasdas. Auch hier sei dieser Bereich für etwa zwei Drittel aller Emissionen verantwortlich. „Es spielt natürlich auch eine Rolle, was ich im Urlaub esse.“ So ernährten sich Touristen deutlich „emmissionsintensiver“, indem sie etwa mehr Fleisch äßen als üblicherweise und wegen der Büffets.

Schon vor einigen Jahren hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband ermittelt, dass pro Gast und Übernachtung je nach Sternekategorie des Hotels zwischen knapp 17 und knapp 50 Kilogramm CO2 anfallen. Der Pro-Kopf-Wasserverbrauch wiederum liegt in Fünf-Sterne-Häusern täglich bei sage und schreibe 522 Litern. Ebenfalls noch viel Nachholbedarf hat die Kreuzfahrtbranche. „Obwohl einzelne Pilotprojekte Anlass zur Hoffnung geben, ist die Branche insgesamt noch nicht auf Kurs, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens rechtzeitig einzuhalten“, heißt es etwa beim NABU.

„So können wir nicht weitermachen“

Dass die Zeiten des sorgenfreien Reisens vorüber sind, hat auch die Tourismusbranche mittlerweile erkannt. „So können wir nicht weitermachen“, sagte kürzlich etwa Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Das Fliegen und die Emmissionen dadurch seien die „Achillesferse“ der Branche. Das Ziel müsse die CO2-neutrale Mobilität sein. Auch die Welttourismusorganisation sieht die Branche selbst in der Pflicht. Die CO2-Emissionen durch den Tourismus seien in den Jahren zwischen 2005 und 2016 um 60 Prozent gestiegen, heißt es in der sogenannten Glasgower Erklärung, die im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2021 präsentiert wurde und die mittlerweile 600 Vertreter der Tourismusbranche unterzeichnet haben. Sie alle verpflichten sich dazu, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden.

Das aber wird nicht einfach. Denn ausgerechnet in der Luftfahrtbranche ist zumindest kurzfristig keine grundlegende Änderung zu erwarten. „Die Fortschritte in diesem Bereich sind so langsam, dass ernste Zweifel an der Erreichbarkeit des Null-Emmissions-Ziels der Luftfahrtindustrie bis zur Jahrhundertmitte angebracht sind“, kritisiert der Thinktank Transport & Environment. Auf die Entwicklung von alternativen Treibstoffen zu warten, könne sich als kontraproduktiv erweisen, da die Herstellung im großen Maßstab noch weit entfernt sei. Zudem nehme das Flugaufkommen weiter Jahr für Jahr zu, was sämtliche Einsparungen zunichte mache. „Stand jetzt ist weniger zu fliegen die effektivste Methode, um die Emissionen zu reduzieren.“

Mallorca-Urlaub nicht mehr für jedermann

Ein weiteres Problem lässt sich schon beim oberflächlichen Blick in die Internet-Suchmaschinen erkennen: Wer jetzt noch kurzentschlossen etwa einen Mallorca-Urlaub im August buchen möchte, der findet Flüge aus Deutschland schon für gerade einmal 140 Euro – hin und zurück wohlgemerkt. Für Tourismusforscher Wolfgang Strasdas ist die Sache klar: „Das ist viel zu billig.“ Die Flugpreise müssten die wahren Kosten widerspiegeln, Steuervorteile, die die Luftfahrtbranche immer noch genieße, abgebaut und ein internationales System zum CO2-Emissionshandel eingeführt werden. Dass sich dann möglicherweise viele Leute keinen Mallorca-Urlaub mehr leisten können, hält er nicht für problematisch. „Das ist kein Menschenrecht“, sagt er. „Es geht nicht darum, jemandem die Möglichkeit zum Urlaubmachen zu nehmen.“ Man könne auch mit der Bahn ans Mittelmeer reisen oder an der Ostsee Urlaub machen.

Auch Jaume Adrover wäre es lieb, wenn der eine oder andere Urlauber weniger nach Mallorca käme. So recht glauben kann er daran aber nicht. Mit Sorge sieht er die derzeitigen Investitionspläne des Flughafenbetreibers. Allein in Palma stecke dieser rund 200 Millionen Euro in Modernisierungsmaßnahmen, wie es offiziell heißt. Adrover vermutet aber, dass klammheimlich die Kapazität des Flughafens ausgebaut werden soll. Dann würde es noch voller am Himmel über Mallorca.

Erschienen bei der Deutschen Welle.