Wie grün sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?

Wie grün sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?

Wenn der Wind mal wieder schmutzige Rauchfahnen über Mallorcas Küste treibt, dann kann man schon von Weitem sehen: Es muss wohl ein Kreuzfahrtschiff in Palma festgemacht haben. Eine Million Passagiere registrierte die Insel-Hauptstadt allein in den ersten neun Monaten des Jahres. 370 Schiffe weist die Statistik im selben Zeitraum aus. Damit ist Palma einer der wichtigsten Kreuzfahrthäfen im Mittelmeer – mit deutlichen Folgen für die Umwelt.

Eine Million Kreuzfahrtpassagiere registrierte Palmas Hafen in den ersten neun Monaten des Jahres. Foto: Jonas Martiny

„Palma liegt europaweit hinter Barcelona auf Rang zwei der Städte, in denen die Luftverschmutzung wegen der Kreuzfahrtschiffe am größten ist“, kritisieren die Aktivisten der mallorquinischen Bürgervereinigung „Plataforma Contra els Megacreuers“ („Plattform gegen die Megakreuzfahrtschiffe“). Allein in diesem Jahr hätten die Schiffe in Palma bereits 38.500 Tonnen CO2 freigesetzt, 890 Tonnen Stickstoff- und 635 Tonnen Schwefeldioxid. „Die Reedereien haben noch immer nicht ausreichend Maßnahmen ergriffen, um die Umwelt, das Klima und die öffentliche Gesundheit zu schützen.“

Umweltschützern geht die Entwicklung „deutlich zu langsam“

Ganz ähnlich klingt das Fazit des deutschen Umweltverbandes NABU, der seit 2013 jährlich in seinem sogenannten „Kreuzfahrtranking“ die Anstrengungen der größten Reedereien in Sachen Umwelt- und Klimaschutz bewertet. Das bestplatzierte Unternehmen in diesem Jahr, die norwegische Reederei Hurtigruten, erreichte gerade einmal die Hälfte der maximalen Punktzahl. Alle anderen Unternehmen schnitten noch schlechter ab. „Die Ergebnisse zeigen erneut, dass Umwelt- und Klimaschutz noch immer nicht im Vordergrund bei Schiffsbetrieb und -neubau der Kreuzfahrtunternehmen stehen“, so der NABU. Es gebe zwar durchaus Positiv-Beispiele und eine Entwicklung in die richtige Richtung, sagt Christian Kopp, NABU-Referent für Verkehrspolitik, „diese aber geht deutlich zu langsam.“

Das sieht Helge Grammerstorf anders. Der National Director Deutschland des internationalen Kreuzfahrtverbandes CLIA (Cruise Lines International Association) verteidigt das Vorgehen der Branche vehement. „Die Kreuzfahrtunternehmen tun nicht nur sehr viel, sie tun auch alles, was sie können“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe man verschiedene Technologien maßgeblich weiterentwickelt, wodurch die Branche zum „Vorreiter“ und „Innovationstreiber“ für die gesamte Schifffahrt geworden sei. „Letztendlich können die Unternehmen in ihre Schiffe aber nur einbauen, was am Markt verfügbar ist“, sagt er.

Die Kreuzfahrt-Branche verfolgt ehrgeizige Ziele

Eine klimaneutrale und einsatzbereite Antriebsart gebe es schlicht und einfach noch nicht. Derzeit sei Flüssigerdgas am vielversprechendsten. Wasserstoff, Strom und E-Treibstoffe befänden sich noch in der Entwicklungsphase. Dennoch verfolgt die Branche ehrgeizige Ziele: Bis 2030 sollen die ersten Schiffe klimaneutral angetrieben werden, verspricht Grammerstorf. 2050 werde das dann für die gesamte Flotte gelten. Wie weit der Weg bis dahin noch ist, belegt die Tatsache, dass die Mehrheit der Schiffe auch weiterhin mit Schweröl unterwegs sein wird, dessen Umweltbilanz besonders schlecht ist – das gilt selbst für die meisten, die sich derzeit im Bau befinden. Allerdings würden sie mittlerweile standardmäßig mit einem System zur Abgasnachbehandlung ausgerüstet, was die Emissionen deutlich senke, so Grammerstorf.

Auch Alexis Papathanassis, Professor für Tourismus und Kreuzfahrtmanagement an der Hochschule Bremerhaven, verweist auf die Bemühungen der Branche. „Die Reedereien versuchen, auf den neusten Stand der Technologie zu kommen, unter anderem mit dem Ziel, die Energiekosten zu senken“, sagt er. Das aber werde dadurch erschwert, dass der Bau eines Kreuzfahrtschiffes in der Regel Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro erfordert und dessen Lebenszeit anschließend in der Regel bei weit mehr als 20 Jahren liegt. Angesichts der rasanten Entwicklung der Technologien seien die Schiffe dann jedoch oft schon nach wenigen Jahren veraltet, ihre Nachrüstung ist teuer und mit Einschränkungen verbunden.

Dazu komme, dass zwischen den Reedereien nun einmal Wettbewerb herrsche: Wer freiwillig höhere Umweltauflagen erfüllt, habe Mehrkosten und dadurch einen Nachteil. „Deshalb spielt die Regulierung eine große Rolle“, sagt Papathanassis. In Norwegen etwa gelten bereits an einigen Stellen strenge Auflagen für Kreuzfahrtschiffe, ebenso in der Antarktis. „So können Standards geschaffen werden“, sagt er. „Das führt dazu, dass sich die Reedereien schneller anpassen müssen.“

Nur 29 Häfen verfügen über Landstrom-Infrastruktur

Wie das gehen kann, zeigt das Thema Landstromversorgung. Bis zu zehn Prozent der Emissionen auf einer Kreuzfahrt entstehen nämlich in den Häfen, wie es heißt. Schließlich müssen die Schiffe auch dort mit Strom versorgt werden. Also laufen die Motoren in der Regel weiter, was die Luftverschmutzung zur Folge hat, über die dann die Anwohner klagen. Die EU verpflichtet nun alle wichtigen Häfen, bis zum Jahr 2030 die für Landstromversorgung notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Laut CLIA Deutschland verfügen weltweit bereits Kreuzfahrtschiffe über einen Landstromanschluss, die etwa 40 Prozent der Gesamtkapazität der Branche ausmachen. In den nächsten fünf Jahren soll der Anteil auf 70 Prozent steigen. „Aber nur 29 der etwa 1000 Kreuzfahrt-Häfen sind bisher entsprechend ausgerüstet“, sagt Grammerstorf. „Auch die Häfen müssen etwas dafür tun, damit wir hier weiterkommen.“

Die Kritik muss sich auch Palmas Hafenverwaltung gefallen lassen. Denn auch Mallorcas wichtigste Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe verfügt bislang nicht über die entsprechende Infrastruktur. Und das wird sich laut Aussage der Behörde auch nicht so schnell ändern: Es gebe derzeit keine Pläne, hier tätig zu werden. Und so werden also weiterhin die Rauchschwaden über Palma ziehen, wenn mal wieder ein Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt.

Erschienen auf Deutsche Welle Online.