Kicken geht vor Beten

Kicken geht vor Beten

Nein, man kann nicht wirklich behaupten, Spaniens katholische Kirche zeichne sich durch Flexibilität und Offenheit gegenüber Neuerungen aus. Gut, das ist in anderen Ländern auch nicht anders, aber Spaniens Kirchenobere gelten doch selbst in der katholischen Kirche noch als besonders konservativ und rückwärtsgewandt. Alle? Nein, nicht alle! Denn auf Mallorca, da gibt es ein kleines Dorf namens Lloseta, in dem die Kirche offenbar überhaupt keine Probleme hat, neue Wege zu beschreiten.

In dem in den Ausläufern der Tramuntana gelegenen Ort hat der Kirchenvorstand jetzt kurzerhand beschlossen, die sonntägliche Messe nicht mehr wie sonst im Winter um zwölf Uhr mittags, sondern schon eineinhalb Stunden früher zu feiern. Der Grund für dieses geradezu revolutionäre Vorhaben? Natürlich der Fußball, Spaniens zweite Religion: Die Messe wird in Lloseta nun also um halb elf gefeiert, damit die Dorfbewohner anschließend die Fußballer des lokalen Clubs anfeuern können. Die tragen ihre Heimspiele nämlich neuerdings immer um zwölf Uhr mittags aus.

Dorfclub in der dritten Liga

Man könnte jetzt fragen, warum ein bedeutungsloser Kick auf irgendeinem mallorquinischen Acker wichtiger sein soll als die heilige Messe. Aber weit gefehlt! Die Fußballer des Club Deportivo Llosetense, die elf Männer aus dem noch nicht einmal 6000 Einwohner zählenden Dorf, haben es im Sommer fertiggebracht, in die dritthöchste spani- sche Liga aufzusteigen – was angesichts der begrenzten Mittel des Dorfklubs geradezu einem Wunder gleichkommt. Wenig überraschend also, dass ganz Lloseta hinter den wackeren Männern steht – Kirchenobere eingeschlossen.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass sich die katholische Kirche in Lloseta überaus flexibel zeigt, was die eigenen Rituale angeht. Im Jahr 2011 zum Beispiel verlegte man die traditionelle Schweigeprozession vom Karmittwoch kur- zerhand um einen Tag nach vorne. Auch damals ging es – wie sollte es anders sein? – um Fußball: An jenem Mittwochabend standen sich der FC Barcelona und Real Madrid gegenüber.

Offiziell heißt es aus Lloseta übrigens, man wolle den Gläubigen einfach nur die Möglichkeit geben, sowohl in die Kirche als auch auf den Fußballplatz zu gehen. Wahrscheinlich hat man sich aber schlicht und einfach folgende Frage gestellt: Wofür werden sich die Leute wohl entscheiden, wenn sie vor der Wahl stehen: Kicken oder Beten?

Erschienen im Mallorca Magazin.